Erfolgreiche Revision: Warum ein Jahr zu viel ist
Als Rechtsanwalt für Strafrecht, der sich auch auf das Gebiet der Revision im Strafrecht spezialisiert hat, erlebe ich häufig gravierende Fehler von Gerichten, die zur Aufhebung des Urteils führen. Ein aktueller Fall aus unserer Kanzlei hat aber selbst mich als langjährigen Revisionsexperten überrascht. Der Mandant wurde zuvor durch einen Kollegen vor dem Landgericht Aurich verteidigt. In der Berufungsinstanz wurde er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Nach dem Urteil kontaktierte mich der Kollege bereits frühzeitig, um die Revision zu übernehmen. Der Fall schien zunächst typisch zu sein, doch er wies eine besondere Wendung auf.
Die Gerichtsakte offenbarte den Fehler
Nach Einreichung der Revision begann erst einmal das Warten auf das schriftliche Urteil. Es ist durchaus üblich, dass zwischen der Urteilsverkündung und der Zustellung des schriftlichen Urteils mehrere Monate vergehen. Dies ist in Deutschland aufgrund der Überlastung der Gerichte nicht ungewöhnlich. Dieser Zeitraum ist notwendig, um zum Beispiel das Protokoll der Verhandlung fertigzustellen und die Urteilsabschriften für alle Beteiligten vorzubereiten und schließlich auf den Versandweg zu bekommen. Es dauerte Wochen, dann Monate, und schließlich fast ein ganzes Jahr, bis das schriftliche Urteil eintraf. Diese ungewöhnliche Verzögerung weckte unsere Aufmerksamkeit.
Die lange Wartezeit kam uns so ungewöhnlich vor, dass wir noch einmal einen genaueren Blick in die gerichtlichen Akten werfen wollten. Was genau hat diese lange Verzögerung verursacht? Es gibt eine Vielzahl an internen Abläufen, welche die Zustellung des Urteils verzögern können. Als wir aber genauer die Gerichtsakten untersuchten, trauten wir kaum unseren Augen. Die Verzögerung trat etwa nicht innerhalb der Gerichtsverwaltung auf, sondern bei der aller ersten, und wichtigsten Frist selbst. Die Richterin hatte die gesetzliche Frist zur Abfassung des Urteils, die gemäß § 275 Abs. 1 StPO in unserem Fall maximal fünf Wochen beträgt, fast um ein ganzes Jahr überschritten. Dieser Verstoß ist besonders brisant, da die Einhaltung der Frist sicherstellt, dass das Gericht seine Entscheidung auf Basis frischer Erinnerungen an die Hauptverhandlung trifft. Damit war der Weg offen für eine erfolgreiche Verfahrensrüge.
Der Schlüssel zum Erfolg: Präzise Revisionsbegründung
Die Formulierung der Revisionsbegründung erforderte höchste Genauigkeit und juristisches Fingerspitzengefühl. Bei Verfahrensfehlern sind die formalen Anforderungen äußerst streng, und bereits geringfügige Auslassungen oder Abweichungen können zur Unzulässigkeit der Rüge führen. In unserer Revisionsbegründung rekonstruierten wir daher den Ablauf von der mündlichen Urteilsverkündung bis zur Zustellung des Urteils und zeigten das erhebliche Fristversäumnis auf.
Die intensive Arbeit zahlte sich aus: Kurz nach der Einreichung unserer Revisionsbegründung erhielten wir Nachricht vom Oberlandesgericht Oldenburg, welches für die Überprüfung des Landgerichts Aurich zuständig ist. Unser Argument überzeugte das Gericht, und das Urteil des Landgerichts Aurich wurde aufgrund des Fristversäumnisses vollständig aufgehoben. Ein neuer Prozess wurde angeordnet, was unserem Mandanten die Chance auf ein deutlich milderes Urteil eröffnet.
Dieser Fall zeigt deutlich, wie entscheidend die Rolle eines Revisionsspezialisten im Strafrecht sein kann. Durch unsere Expertise und Detailgenauigkeit konnten wir einen signifikanten Fehler aufdecken und das Recht unseres Mandanten auf ein faires Verfahren wahren. Nun liegt die Fortführung des Falles wieder in den Händen des ursprünglichen Instanzverteidigers. Sollte das neue Urteil erneut fehlerhaft sein, sind wir bereit für den Mandanten wieder den Weg der Revision zu gehen.
„Unser Erfolg in der Revision zeigt, dass das Rechtssystem funktioniert, aber nur, wenn engagierte Anwälte bereit sind, jeden Stein umzudrehen.“
RECHTSANWALT UND FACHANWALT FÜR STRAFRECHT MATHIAS SCHULT