
Zeugnisverweigerungsrecht und Auskunftsverweigerungsrecht – Unterschiede und wann es Ihnen zusteht
In einem Strafverfahren tauchen immer wieder die Begriffe Zeugnisverweigerungsrecht und Auskunftsverweigerungsrecht auf. Beide Begriffe klingen ähnlich, haben aber eine unterschiedliche rechtliche Bedeutung. Wer vor Gericht geladen wird, sollte genau wissen, wann man ein Zeugnisverweigerungsrecht hat und wann man von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen darf. Ebenso wichtig ist es, das Auskunftsverweigerungsrecht zu verstehen, da es in vielen Situationen eine entscheidende Rolle spielt.
Das Thema ist nicht nur für Juristen von Bedeutung, sondern betrifft jeden, der als Zeuge in einem Strafverfahren auftritt. Häufig ist unklar, welche Rechte man tatsächlich hat und wann Schweigen erlaubt ist. Ein erfahrener Anwalt für Strafrecht kann genau prüfen, ob ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht vorliegt oder ob es im Einzelfall sinnvoll ist, einzelne Fragen aufgrund des Auskunftsverweigerungsrechts nicht zu beantworten. Wer diese Unterschiede kennt, schützt sich vor unbedachten Aussagen und möglichen strafrechtlichen Konsequenzen.
„Das Schweigen ist kein Schuldeingeständnis, sondern ein gesetzlich geschütztes Recht.“
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht Alina Niedergassel
Was ist das Zeugnisverweigerungsrecht?
Das Zeugnisverweigerungsrecht betrifft ausschließlich Zeugen in einem Strafverfahren. In der Regel betrifft das Zeugnisverweigerungsrecht nahe Angehörige des Beschuldigten. Es ist also kein Recht des Beschuldigten selbst, sondern schützt Menschen, die als Zeugen geladen werden, aber in einem besonderen Näheverhältnis zum Beschuldigten stehen.
Dieses Recht ermöglicht es, die Aussage komplett zu verweigern. Das bedeutet: Man muss überhaupt nicht vor Gericht oder bei der Polizei inhaltliche Angaben machen – weder zu den Tatvorwürfen noch zu Randumständen. Es geht also um ein vollständiges Schweigerecht, das den Zeugen vor schwierigen Loyalitätskonflikten schützt.
Das Gesetz zählt genau auf, wer dieses umfassende Recht hat. Dazu gehören insbesondere:
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Ehegatten und eingetragene Lebenspartner (auch ehemalige)
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Verlobte
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Eltern, Kinder und Geschwister
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Geistliche, Verteidiger oder bestimmte Berufsgeheimnisträger
Wer zu einer dieser Personengruppen gehört, darf also uneingeschränkt schweigen. Selbst wenn die Strafverfolgungsbehörden drängen oder nachhaken: Der Zeuge ist nicht verpflichtet, auch nur eine einzige Frage zu beantworten.
Für die Praxis heißt das: Wenn Sie sich fragen, „Wann habe ich ein Zeugnisverweigerungsrecht?“ oder „Wann darf ich von meinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen?“, gilt: Sobald Sie als Zeuge in einem Strafverfahren geladen werden und zu den privilegierten Angehörigen zählen, steht es Ihnen frei, gar nicht auszusagen.
Das Gericht muss Sie in der Vernehmung ausdrücklich auf dieses umfassende Schweigerecht hinweisen. Wenn Sie sich auf Ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen, dürfen daraus keinerlei Nachteile entstehen. Wichtig: Das Gericht darf Sie zwar trotzdem zu einer Verhandlung als Zeugen vorladen und Sie müssen dort erscheinen, wenn jedoch bereits vorab angekündigt wird, dass Sie vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen wollen, wird häufig darauf verzichtet, dass Sie überhaupt vor Gericht erscheinen müssen.
„Schon die Gefahr, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, reicht für das Auskunftsverweigerungsrecht aus.“
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Dr. Mathias Schult
Was ist das Auskunftsverweigerungsrecht?
Anders als das Zeugnisverweigerungsrecht, das eine vollständige Aussageverweigerung erlaubt, bezieht sich das Auskunftsverweigerungsrecht nur auf bestimmte einzelne Fragen. Es gilt für jeden Zeugen – unabhängig davon, ob er ein Angehöriger des Beschuldigten ist oder nicht.
Der Kern dieses Rechts: Niemand ist verpflichtet, Angaben zu machen, die ihn selbst oder einen nahen Angehörigen wegen einer Straftat belasten könnten. Dabei ist wichtig: Es kommt nicht darauf an, ob die Antwort tatsächlich zu einer Verurteilung führen würde. Es reicht bereits aus, dass durch die Antwort ein bloßer Verdacht entsteht, der Anlass für die Einleitung eines Strafverfahrens sein könnte.
Das bedeutet: Schon die Gefahr, in den Fokus der Ermittlungsbehörden zu geraten, genügt, um sich auf das Auskunftsverweigerungsrecht zu berufen. Ein häufiges Beispiel ist die Frage, ob ein Zeuge an einem bestimmten Tatort war. Auf diese Frage darf der Zeuge die Antwort in der Regel verweigern, auch wenn er selbst mit der Tat nichts zu tun hat, weil dadurch zumindest die Gefahr besteht, dass der Zeuge in den Bereich der Verdächtigen rückt.
Im Gegensatz zum Zeugnisverweigerungsrecht entbindet das Auskunftsverweigerungsrecht den Zeugen nicht von der gesamten Aussagepflicht. Er muss also grundsätzlich aussagen – darf aber bei kritischen Fragen die Antwort verweigern. Dabei muss dieses Recht aber sehr weit ausgelegt werden.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seiner sogenannten Mosaiktheorie klargestellt, dass es nicht nur um einzelne isolierte Fragen geht. Auch wenn eine einzelne Antwort für sich genommen harmlos wirkt, kann sie Teil eines größeren Bildes („Mosaik“) sein, das am Ende doch zu einem Anfangsverdacht gegen den Zeugen führt.
Beispiel: Ein Zeuge beantwortet viele kleine Detailfragen, die jeweils unverfänglich erscheinen. Zusammengesetzt können diese Antworten aber einen Hinweis auf seine eigene Tatbeteiligung liefern. In solchen Fällen darf der Zeuge ebenfalls die Aussage zu den unverfänglich erscheinen Detailfragen verweigern, um eine mittelbare Selbstbelastung zu vermeiden.
Damit ist das Auskunftsverweigerungsrecht weiter, als es auf den ersten Blick erscheint: Es schützt nicht nur vor direkter Selbstbelastung, sondern auch davor, dass durch „Puzzle-Steine“ einer Aussage ein Gesamtbild entsteht, das zu Ermittlungen führt.
Das Gericht sprach, ebenso wie wir, von einer „Strafbarkeitslücke“ – und bestätigte damit exakt das, was wir in vielen Verfahren bereits argumentiert hatten. Die Folge: Das Verfahren wurde umgehend eingestellt.
Macht man sich mit einer Verweigerung nicht verdächtig?
Viele Zeugen haben die Sorge, dass sie sich selbst verdächtig machen, wenn sie eine Frage nicht beantworten oder gar die gesamte Aussage verweigern. Diese Angst ist verständlich, aber rechtlich unbegründet. Das Auskunftsverweigerungsrecht und das Zeugnisverweigerungsrecht sind ausdrücklich gesetzlich garantierte Rechte.
In der Praxis werden diese Rechte auch tatsächlich so gehandhabt: Weder Polizei noch Gericht dürfen aus der Berufung auf das Auskunftsverweigerungsrecht oder das Zeugnisverweigerungsrecht den Schluss ziehen, dass der Zeuge etwas zu verbergen hat. Es ist kein Schuldeingeständnis, sondern ein Schutzmechanismus, der das Risiko einer Selbstbelastung für sich selbst oder einen Angehörigen ausschließt.
Gerade weil viele Zeugen unter Druck geraten und unsicher sind, ist es wichtig, diese Rechte konsequent wahrzunehmen. Niemand muss Angst haben, dass das Schweigen gegen ihn ausgelegt wird – das Gegenteil ist der Fall: Wer schweigt, handelt klug und schützt sich vor möglichen Nachteilen. Ein erfahrener Rechtsanwalt für Strafrecht kann Sie dabei unterstützen, Ihre Rechte sicher durchzusetzen und Sie vor Situationen bewahren, in denen Ermittlungsbehörden versuchen, mehr Informationen zu erhalten, als Sie preisgeben müssen.
Anwaltliche Unterstützung als Zeuge
Auch wenn das Gesetz eindeutig ist, fühlen sich Zeugen im Verhör oder vor Gericht oft massiv unter Druck gesetzt. Viele trauen sich nicht, eine Antwort zu verweigern, aus Angst, „schuldig“ zu wirken oder Ärger zu bekommen. Hier kommt der Anwalt für Strafrecht ins Spiel. In vielen Fällen kann im Vorfeld geprüft werden, ob ein Auskunftsverweigerungsrecht in Frage kommen. Wir begleiten Sie zu Vernehmungen und sorgen dafür, dass Ihre Rechte auch wirklich respektiert werden. Wir schützen Sie davor, durch unbedachte Aussagen in ein Strafverfahren hineingezogen zu werden.